Einleitung
Gehören auch Sie zu den Millionen Deutschen, die Strom oder Gas noch über einen Grundversorgungstarif beziehen? Dann zahlen Sie Monat für Monat mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich mehr als nötig – oft, ohne es zu wissen. Eine aktuelle Analyse des Vergleichsportals Verivox bringt die Problematik auf den Punkt: Im ersten Halbjahr 2025 beliefen sich die vermeidbaren Mehrkosten für Privathaushalte auf rund drei Milliarden Euro.
Doch wie fundiert ist diese Zahl? Was steckt hinter den teureren Tarifen der Grundversorgung – und wie lässt sich konkret sparen? Wir beleuchten Hintergründe, überprüfen Zahlen und geben praktische Hinweise für den Ausstieg aus der Tariffalle.
Milliardenschwere Mehrkosten – das sagt Verivox
Laut Berechnungen von Verivox, die auch von der Funke Mediengruppe veröffentlicht wurden, haben Haushalte im Grundversorgungstarif für Strom und Gas im ersten Halbjahr 2025 insgesamt rund 8,5 Milliarden Euro gezahlt. Hätten sie stattdessen auf den jeweils günstigsten Tarif mit Preisgarantie umgestellt, wären nur etwa 5,5 Milliarden Euro angefallen – eine Differenz von rund drei Milliarden Euro.
Diese Schätzung basiert auf Verbrauchsdaten der Bundesnetzagentur: Demnach befanden sich zuletzt etwa 25 Prozent der Stromkunden sowie 19 Prozent der Gaskunden in der Grundversorgung – also in dem Tarif, der greift, wenn kein anderer Vertrag abgeschlossen wurde.
Derartige Zahlen deuten auf ein strukturelles Problem hin: Zu viele Verbraucher verharren in einem teureren Tarifmodell – oft aus Unsicherheit, mangelnder Information oder aus Angst vor unseriösen Anbietern.
Was ist Grundversorgung – und warum ist sie teurer?
Die Grundversorgung ist gesetzlich geregelt (gemäß §36 Energiewirtschaftsgesetz) und verpflichtet den lokalen Versorger, Haushalte zu beliefern, die keinen anderen Vertrag gewählt haben. Sie bietet Versorgungssicherheit – insbesondere in Krisenzeiten oder bei Anbieterinsolvenzen – und stellt somit ein wichtiges Sicherheitsnetz dar.
Diese Sicherheit hat jedoch ihren Preis: Die Tarife der Grundversorgung sind in der Regel deutlich teurer als alternative Sonderverträge. Grund hierfür ist unter anderem die kurzfristige Beschaffung von Energie an den Spotmärkten, das höhere Kalkulationsrisiko sowie fehlende Bindungszeiten und Preisgarantien. All das führt dazu, dass die Grundversorgung oft um 10 bis 40 Prozent über dem günstigsten Tarif liegt.
Faktencheck: Stimmen die Zahlen wirklich?
Ein Abgleich mit öffentlich zugänglichen Daten bestätigt: Die Bundesnetzagentur verzeichnete 2024/25 einen tatsächlichen Anteil von rund 25 % Grundversorgungskunden im Strombereich, beim Gas waren es etwa 19 %.
Auch bei den Preisen zeigen sich deutliche Unterschiede: Im ersten Halbjahr 2025 lag der durchschnittliche Strompreis in der Grundversorgung zwischen 42 und 45 Cent pro Kilowattstunde, während günstigere Sonderverträge mit Preisgarantie teils schon ab 28 bis 32 Cent/kWh zu haben waren. Beim Gas reichten die Unterschiede von 14 bis 17 Cent/kWh in der Grundversorgung gegenüber 9 bis 11 Cent/kWh in günstigeren Tarifen – jeweils regional unterschiedlich.
Eine Modellrechnung mit einem durchschnittlichen Haushaltsverbrauch von 3.500 kWh Strom und 12.000 kWh Gas zeigt: Ein Wechsel kann je nach Region zwischen 700 und 1.000 Euro pro Jahr an Einsparung bedeuten.
Verbraucherschützer bestätigen das Sparpotenzial
Auch unabhängige Institutionen wie die Verbraucherzentralen sehen erhebliches Einsparpotenzial: Bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch kann ein Haushalt 370 bis 420 Euro bei Strom und bis zu 450 Euro bei Gas sparen – allein durch den Wechsel aus der Grundversorgung.
Wichtig dabei: Die tatsächliche Ersparnis hängt vom Wohnort, dem regionalen Anbieter, der Tarifstruktur und vom Verbrauchsverhalten ab.
Der internationale Vergleich: Warum ist Strom in Deutschland so teuer?
Im weltweiten Vergleich zählt Deutschland weiterhin zu den Ländern mit den höchsten Strompreisen für Privathaushalte. Laut Internationaler Energieagentur (IEA) und Statista belegte Deutschland 2024/25 erneut einen der obersten Plätze – gemeinsam mit Dänemark, Irland, Belgien und Italien.
Ursachen sind unter anderem:
- hohe Netzentgelte (je nach Region über 25 % des Strompreises),
- staatliche Umlagen und Steuern,
- sowie der Merit-Order-Effekt: Dieser Mechanismus legt den Preis an der Strombörse oft durch das teuerste noch benötigte Kraftwerk fest – meist Gaskraftwerke.
Wenn also die Gaspreise oder die Preise für CO₂-Zertifikate steigen, wirkt sich das unmittelbar auf den Strompreis aus – unabhängig vom tatsächlichen Anteil erneuerbarer Energien im Netz.
Tarifwechsel mit Risiken? Kritik an Vergleichsportalen
Die Energiekrise 2021–2023 hat das Vertrauen vieler Verbraucher in Wechselangebote erschüttert. Zahlreiche Billiganbieter gingen insolvent, Kunden wurden plötzlich in die teure Grundversorgung zurückgestuft – teils ohne Vorwarnung.
Daher ist Vorsicht geboten: Nicht jedes günstige Angebot ist auch seriös. Achten Sie beim Wechsel auf folgende Kriterien:
- Preisgarantien (mind. 12 Monate),
- Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen,
- Bewertungen und Servicequalität des Anbieters.
Verbraucherschützer empfehlen, mindestens zwei unabhängige Vergleichsportale zu nutzen und keine Vorauszahlungen zu leisten.
Fazit: Milliarden verschenkt – aber jederzeit korrigierbar
Wer in der Grundversorgung bleibt, verschenkt bares Geld. Die Ursachen sind verständlich – Sicherheit, Bequemlichkeit, Skepsis – doch sie führen in vielen Fällen zu unnötigen Mehrkosten.
Dabei ist der Ausstieg jederzeit möglich: Verbraucher haben jederzeit ein Sonderkündigungsrecht in der Grundversorgung. Ein bewusster Tarifvergleich und ein Wechsel zu einem seriösen Anbieter können mehrere hundert Euro pro Jahr sparen – ohne Komfortverlust.
Unser Tipp: Aktiv vergleichen – regelmäßig sparen
Nutzen Sie mindestens einmal jährlich Vergleichsportale, prüfen Sie die Vertragsdetails und lassen Sie sich nicht von Lockangeboten blenden. Achten Sie auf seriöse Anbieter mit Preisgarantie, meiden Sie Vorauszahlungen und informieren Sie sich bei Ihrer Verbraucherzentrale, wenn Unsicherheiten bestehen.
Angesichts weiter steigender Energiepreise und unsicherer globaler Märkte ist Eigeninitiative mehr denn je gefragt – und sie lohnt sich.